Nabu-Ornithologin: Wir sollten uns um unsere Vögel Sorgen machen – aber jeder von uns kann etwas tun

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Ute Eggers, Referentin für Vogelschutz beim Naturschutzbund Nabu, ist besorgt um den Zustand der Arten. Sie sagt, was jede und jeder von uns tun kann, um Vögeln zu helfen. Und sie gibt Tipps fürs Vögelzählen bei der "Stunde der Wintervögel", die jetzt beginnt.

Ute Eggers, Referentin für Vogelschutz beim Naturschutzbund Nabu, ist besorgt um den Zustand der Arten. Sie sagt, was jede und jeder von uns tun kann, um Vögeln zu helfen. Und sie gibt Tipps fürs Vögelzählen bei der "Stunde der Wintervögel", die jetzt beginnt. Es wird wieder gezählt. Vom 6. bis 9. Januar lädt der Naturschutzbund Nabu zur "Stunde der Wintervögel" ein. Wer möchte, kann dann eine Stunde lang Vögel beobachten und zählen. Die große Mitmachaktion soll Erkenntnisse über den Zustand der Arten in Deutschland liefern. Um die ist es grundsätzlich nicht gerade gut bestellt. Nabu-Ornithologin Ute Eggers sagt im Interview, welchen Gefahren Vögeln ausgesetzt sind und was ihnen hilft. Frau Eggers, haben Sie einen Lieblingsvogel? Über Weißstörche habe ich promoviert, da bin ich etwas voreingenommen. Aber eigentlich finde ich alle Vögel ziemlich toll. Bei den Wintervögeln mag ich vielleicht vor allem das Wintergoldhähnchen. Mit gerade mal fünf Gramm ist es der kleinste Vogel Europas. Und es hält bis zu minus 20 Grad aus. Das ist doch beeindruckend.Jetzt startet wieder die "Stunde der Wintervögel". Wo werden Sie dieses Mal Vögel zählen? Erst in einem Park im Regierungsviertel bei einer PR-Aktion des Nabu und dann privat auf meinem Balkon.STERN PAID 47_21 Windkraft und Artenschutz 14.25Jede und jeder kann mitmachen. Haben Sie als Expertin Tipps fürs Vögelzählen? Bei der Aktion ist es wichtig, nicht einfach alle Vögel einer Art, die innerhalb einer Stunde zu sehen waren, zusammenzuzählen, sondern jeweils die größte Anzahl der Tiere zu notieren, die auf einmal da waren. Sehe ich zum Beispiel erst drei und später fünf Haussperlinge, melde ich nur die fünf. So wollen wir Mehrfachzählungen ausschließen. Ansonsten braucht man nur einen festen Platz – vor dem Fenster, auf dem Balkon oder im Park – Stift und Papier oder die Nabu-App und womöglich noch ein Buch oder eine App zur Vogelerkennung. Vielleicht, aber nicht zwingend, noch ein Fernglas.Bei welchen Arten besteht die größte Verwechslungsgefahr? Haus- und Feldsperling sowie Erlenzeisig und Girlitz werden gerne mal verwechselt. Aber das soll niemanden abschrecken. Selbst Ornithologen müssen manchmal nachschlagen.Die "Stunde der Wintervögel" ist beliebt. Vergangenes Jahr nahmen 236.000 Menschen teil. Bringt Sie das auch wissenschaftlich weiter oder geht es vor allem darum, ein Bewusstsein für Vögel zu schaffen?Es ist Deutschlands größte wissenschaftliche Mitmachaktion. Vergangenes Jahr haben so viele Menschen mitgemacht wie noch nie, was uns sehr freut. Und es bringt uns auch wirklich was. Wir wissen wenig über häufige Arten in Siedlungsbereichen. Die "Stunde der Wintervögel" und die "Stunde der Gartenvögel" im Sommer sind ein Frühwarnsystem über die Zustände der Arten.Wie ist es um die Vögel in Deutschland bestellt? Ein einheitliches Bild gibt es ausgehend von den Zählaktionen nicht. Manchen Vögeln geht es besser, weil sie zum Beispiel vom Klimawandel profitieren. Das Verhalten der Zugvögel verändert sich. Grundsätzlich ist der Trend für viele Arten aber negativ. Wir sollten uns Sorgen machen um unsere Vögel. Fast jede zweite Brutvogelart in Deutschland steht inzwischen auf der Roten Liste und ist somit bedroht. 33 Arten sind vom Aussterben bedroht.Wenn Vögel verschwinden wird es ruhiger und trostloser. Welche Folgen hat ihr Verschwinden für das Ökosystem?Wenn kleinere Vögel verschwinden, gefährdet das auch größere, die sich von ihnen ernähren, also die Nahrungskette. Vögel spielen in einigen Ländern eine Rolle beim Bestäuben von Blüten und auch bei uns bei der Schädlingsbekämpfung. Meisen fressen beispielsweise Raupen von Pflanzen. Nehmen die Bestände ab, verringert sich auch die genetische Vielfalt, Arten werden anfälliger. Am Ende kann jeder Eingriff ins Ökosystem mehrere Folgen haben. Wenn man erstmal anfängt, sich über den Zustand unserer Vögel Gedanken zu machen, ist das sehr bedrückend.Was ist die größte Gefahr für die hiesigen Vögel? 50 Prozent der Landesfläche in Deutschland sind Agrarland. Die intensive Landwirtschaft und Pestizide sind ein großes Problem für Wiesenvögel wie Bekassine, Uferschnepfe und Kiebitz. In den Wäldern wird die zunehmende Trockenheit durch den Klimawandel zum Problem für Vögel. Die Nahrungssituation wird schlechter, überhaupt ist das Insektensterben für Vögel ein großes Problem. Auch die illegale Jagd stellt eine Gefahr dar. Ich sehe beim Vogelschutz die Politik in der Verantwortung. Das Verhältnis von Klimaschutz und Artenschutz ist ein komplexes Thema."Wenn man erstmal anfängt, sich über den Zustand unserer Vögel Gedanken zu machen, ist das sehr bedrückend", sagt Ute Eggers, Referentin für Vogelschutz beim Naturschutzbund Deutschland e.V.© privatWas muss Ihrer Meinung nach jetzt unbedingt passieren? Wichtig ist die Förderung einer naturverträglichen Landnutzung mit extensiver Bewirtschaftung, weniger Pestizide und Dünger. Brachen, Blühflächen und Hecken schaffen abwechslungsreiche Strukturen im Offenland, was den Vögeln hilft und den Boden vor Erosion schützt. Insgesamt sollten weniger Flächen versiegelt und schädliche Emissionen reduziert werden. Auch das bessere Management von Schutzgebieten und spezielle Artenhilfsprogramme fördern die Artenvielfalt. Auch jede und jeder Einzelne kann durch bewussten Konsum viel für die Natur tun.Vögeln auf Wiesen und im Wald sind das eine. Was macht den Vögeln in Siedlungsgebieten zu schaffen? In den Siedlungsgebieten sind vor allem Scheiben und Katzen ein Problem. Bei den Hauskatzen gibt es keine offiziellen Zahlen, aber wir gehen von 20 bis 100 Millionen toter Vögel aus jedes Jahr. Durch eine Kollision mit Glasscheiben sterben allein in Deutschland jedes Jahr rund 100 Millionen Vögel. Was hilft? Klebestreifen am Fenster, die unsere Sicht nicht beeinträchtigen, für Vögel aber einen großen Unterschied machen.Und was raten Sie Katzenbesitzern, die Vögel schützen möchten? Wohnungskatzen sind eine Option. Wer seine Katze rauslässt, sollte darauf wenigstens von Mai bis Juli jeweils morgens verzichten. Da machen die Jungvögel erste Flugversuche und sind eine leichte Beute für Katzen.Was kann jeder Einzelne von uns tun für die Vögel in unserer Umgebung? Eine Menge. Im Garten und auf dem Balkon auf heimische Pflanzen setzen, die Stauden im Winter nicht beschneiden, weil Vögel die Samen mögen. Hecken nicht während der Brutzeit beschneiden, keine Pestizide verwenden und wenig Dünger. Nisthilfen aufhängen. Durch Neubausiedlungen und sanierte Fassaden haben Vögel immer weniger Brutmöglichkeiten.Gerade jetzt im Winter stellen viele Futterhäuschen auf und bieten den Vögeln Meisenknödel an. Wie wichtig ist diese Fütterung?Die Fütterung ist eine schöne Sache. Umweltpädagogisch ist sie wertvoll. Wir Menschen erfreuen uns an den Vögeln vor unserem Fenster und engagieren uns dann auch eher für ihren Schutz. Vögelbeobachten ist ein schöner Ausgleich.AF_Vogelfutterstation 15.33Wir füttern die Tiere also eher unseretwegen als ihnen zuliebe? Uns muss klar sein: Vögel kommen auch ohne uns durch den Winter. Am Ende sind es nur 10 bis 15 Arten, die an Futterhäuschen kommen. Es sind eher die weniger gefährdeten Arten, für die das Futter ein willkommener Zusatz ist. Bei den Knödeln ist es wichtig, kein Plastik zu verwenden. Darin können sich Vögel verheddern. Und niemals Brot füttern!Ob man auch im Sommer füttern soll, ist umstritten. Was empfehlen Sie? Ich sehe das kritisch. Mit dem falschen Futter kann Schaden angerichtet werden. Jungvögel können an großen Nussstücken ersticken. Wer im Sommer füttert, sollte deshalb eines mit kleinen Sämereien und Insekten bereitstellen. Parasiten können sich im Sommer im Futter auch eher ausbreiten. Bei den Grünfinken hat ein Parasit den Bestand stark dezimiert. Wer Vögel füttert, sollte die Futterstelle deshalb schön sauber halten. Und wer einen toten Vogel findet, sollte das Füttern einstellen.BayerischerWald 10.29Selbst bei den possierlichen Singvögeln haben manche einen besseren Ruf als andere. Ist was dran am Gerücht, Spatzen seien auf irgendeine Weise schädlich? Sie waren lange Zeit als Korndiebe verpönt. Wer einen Sperling sieht, sollte sich genauso freuen, wie wenn er eine Blaumeise sieht. Sie sind nicht schädlich. Sperlinge tauchen gerne in Horden auf und tschilpen laut, vielleicht fühlen sich deshalb manche Menschen von ihnen gestört. Man sollte sich vielmehr freuen, dass sich ihre Bestände in Deutschland ein wenig erholen.Etliche Vogelarten sind bedroht. Sie sagen, wir sollten uns Sorgen machen um unsere Vögel. Macht Ihnen auch etwas Hoffnung? Wir sehen, dass gewisse Naturschutzprojekte greifen. Den Weißstörchen zum Beispiel geht es jetzt deutlich besser. Allerdings haben wir in den vergangenen Jahren bei unseren Projekten viel auf große charismatische Vögel gesetzt. Bei den Kleinen, die noch als selbstverständlich gelten, sieht es teils schlechter aus. Da müssen wir noch mehr Aufmerksamkeit darauf lenken.
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